Willkommen in meinem Blog! Hier geht es um Musikerinnen. Vor allem um Frauen, die ihre Musik selbst machen, das heißt selbst schreiben und selbst spielen. Ich stelle bekannte Künstlerinnen vor und weniger bekannte, Hauptsache tolle Musik. Vorschläge sind jederzeit willkommen!





Samstag, 10. März 2012

Musikgeschichte: Ethel Smyth



Ich habe beschlossen, eine neue Rubrik in meinem Blog zu eröffnen, nämlich Musikgeschichte. Ich habe schon viel über Musikerinnen aus unserer Zeit geschrieben und jetzt möchte ich ab und zu Frauen vorstellen, die in der Vergangenheit mit Musik zu tun hatten. Ich finde, es schadet nicht, wenn man diese Frauen wieder ein wenig ins Licht stellt, im Dunkeln waren sie lange genug.
Den Anfang macht heute Ethel Smyth. Die englische Komponistin, Schriftstellerin und Frauenrechtlerin wurde 1858 in Kent geboren. Sie wuchs in einem bürgerlich viktorianischen Elternhaus auf. Ihre Entscheidung, nach Leipzig zu gehen, um am dortigen Konservatorium Komposition zu studieren, konnte sie erst nach langen Kämpfen mit ihren Eltern durchsetzen. 1877 kam sie nach Leipzig, wo sie jedoch bald vom Unterrichtsniveau am Konservatorium enttäuscht war. Sie ging bereits ein Jahr später als Privatschülerin zu Heinrich von Herzogenberg, zu dessen Frau Elisabeth bald eine enge Freundschaft entstand. Durch den Musiksalon von Elisabeth von Herzogenberg lernte Ethel Smyth wichtige Persönlichkeiten des europäischen Musiklebens kennen, darunter Johannes Brahms, Clara Schumann und Edvard Grieg.
Bis 1887 komponierte sie ausschließlich Kammermusik, erst Peter Tschaikowsky riet ihr, ihre Aufmerksamkeit dem Orchester zuzuwenden, ein Wendepunkt ihrer Karriere. Ihre ersten Werke für größere Besetzung, zu denen die Serenade in D sowie ihre Mass in D zählen, mündeten 1894 in der Fertigstellung ihrer ersten Oper Fantasio. Bis 1924 komponierte sie sechs Opern, wobei The Wreckers als ihr Hauptwerk gilt.
Zeit ihres Leben hatte Ethel Smyth mit Vorurteilen gegenüber einer weiblichen Komponistin zu kämpfen. Sie musste hart um jede Aufführung ihrer Opern ringen und das tat sie mit vollem Einsatz. Ethel Smyth sei vom Stamm der Pioniere gewesen, die Felsen gesprengt und den Weg geebnet hätten für diejenigen, die nach ihnen gekommen seien, meinte Virginia Woolf Jahre später über ihre enge Freundin. Die Komponistin selbst spürte sehr deutlich den Gegenwind, der ihr als Frau ins Gesicht schlug. Doch ihr Bewusstsein für die systematische Unterdrückung der Frau erwachte erst, als sie 1910 Emmeline Pankhurst kennenlernte, die Anführerin der Suffragettenbewegung (die englische Bewegung für das Frauenwahlrecht). Leidenschaftlich begann sich Ethel während der folgenden Jahre in der Bewegung zu engagieren. Sie wurde enge Freundin und Mitstreiterin Pankhursts. Sie komponierte die Hymne der Frauenbewegung, den March of the Women, der fortan auf den Protestmärschen der Frauen durch die Londoner Innenstadt gesungen wurde.
Während einer Ägypten-Reise 1913 machte sich ihr Ohrenleiden erstmals bemerkbar, das bis zur völligen Ertaubung (1939) fortschreiten sollte.
Während des Ersten Weltkrieges arbeitete Ethel Smyth als Röntgenassistentin in einem französischen Militärhospital in der Nähe von Vichy. In dieser Zeit widmete sie sich erstmals intensiv der Schriftstellerei. Zuvor hatte sie bereits häufig Artikel und Essays für verschiedene englische Zeitungen verfasst. Ihre schriftstellerische Tätigkeit rückte immer stärker in den Vordergrund, nicht zuletzt wegen des sich verschlechternden Gehörs. An Kompositionen entstanden dennoch das Konzert für Violine, Horn und Orchester (1927), The Prison, eine Vokalsymphonie, sowie kleinere Werke.
1910 erhielt sie die Ehrendoktorwürde der University of Durham, 1926 diejenige der Oxford University. 1922 wurde Ethel Smyth zur Dame Commander of the Order of the British Empire ernannt.
In ihren letzten Lebensjahren verliebte sie sich stürmisch in die 24 Jahre jüngere Virginia Woolf, der sie jahrelang fast täglich schrieb. Mit ihrem Ästhetizismus und ihrer Hypersensibilität war Woolf das Gegenteil von Smyth, für die das Überwinden von Widerständen, die kämpferische Auseinandersetzung und das Kennenlernen von Menschen zentrale Anliegen darstellten.
Ethel Smyth starb 1944 in Woking/Surrey. Ihre Musik geriet nach ihrem Tod bald in Vergessenheit. Seit den 1980er Jahren erfährt sie allerdings erneute Beachtung, viele ihrer Werke gibt es inzwischen auf CD.

Ethel Smyth war eine Frau, die auf vielen Ebenen ihrer Zeit voraus war: als Frauenrechtlerin, als erfolgreich berufstätige Frau in einem von Männern dominierten Metier, als Opernkomponistin und als Frau, die ihre homosexuellen Neigungen in ihren Schriften offen artikulierte. Sie war eine Wegbereiterin für nachkommende Künstlerinnen und verdient ohne Zweifel mehr öffentliche Beachtung.




                                      







3 Kommentare:

  1. Oha, ein Beitrag am Samstag - und was für einer! Ich bin beeindruckt. Ich finde es eine gute Idee, mal in der Geschichte zu kramen, man sieht ja, was für Schätze da versteckt sind.
    Du überraschst mich immer wieder Zusel - gut so!

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  2. Wow, auch ich bin beeindruckt. Musikgeschichte - eine tolle Idee! Da besteht auf jeden Fall Nachholbedarf. Ganz gut gemachter Post! Bin gespannt, was noch so alles kommt.

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  3. Ja, das ist mal ein Post! Super! Finde ich wirklich gut. Schön gemacht und total interessant. Meine Hochachtung!

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